…. Seit meinem
letzten Besuch in Wien, hat sich die Stadt, sehr zu ihrem Vorteil verändert.
Hatte ich zuerst bedenken, ja fast Angst, mit dem Auto in die Innenstadt zu fahren,
war ich nun, da ich es tat, positiv überrascht. Frank kannte Wien so gut, und
gab seine Anweisungen so präzise, dass wir kurze Zeit später an der Rückseite
vom Marriott in die Tiefgarage einfuhren. Oh Wunder über Wunder, wir fanden
sogar einen Parkplatz.
Der Lift
brachte uns in die großzügige Halle, welche nach oben offen, das Licht des Tages
durch die riesige Glaskuppel, durchscheinen ließ. Breite Treppen führten in
die erste Etage, von dort kamen auch die Klänge eines Klaviers. „Klassik“, es
war ein Stück von Schubert.
Die weiche,
verträumte Melodie legte sich über die Halle und verschmolz mit ihr. Tropische
Pflanzen und Blumen, kunstvoll arrangiert gaben dem großen, hohen Raum, unbestritten
ein gewisses Flair, welches durch die Wasserspiele seine Vollkommenheit erreichte.
Ich fühlte mich sichtlich wohl und war froh, dass ich mich am Morgen für ein
leichtes, doch sehr elegantes Kleid entschieden hatte. So konnte ich mich, ohne
Hemmungen zu verspüren, frei und locker in dieser luxuriösen Welt bewegen.
Das Personal
war einheitlich gekleidet. Langer schwarzer Rock oder Hose, weiße Bluse oder
Hemd, dazu ein Gilet (Weste) und die Männer trugen statt Krawatte, eine
Schleife. Sie bewegten sich flink, ohne hastig zu wirken.
Kein überflüssiges Geklapper von Gläsern,
Tassen oder Tellern, störte diese Harmonie.
Ein Kellner kam auf uns zu, fragte nach unseren Wünschen
und geleitete uns zu einer Nische mit halbrunder Sitzbank. Der Tisch gerade
groß genug, für drei Personen.
Er nahm unsere
Bestellung auf, dreimal Kaffee, dreimal Apfelstrudel. Frank meinte, es wäre
ein Muss, hier Apfelstrudel zu essen. „Nirgends sonst wo gibt es einen
Besseren“, tat er uns kund.
Es dauerte
wirklich nicht lange und wir konnten uns selbst davon überzeugen.
Wahrhaftig, er war köstlich. Ein jeder bekam ein Kännchen
Kaffee, Sahne in kleinen Krüglein und in einem Schälchen, Schlagobers (Schlag Rahm)
für den Apfelstrudel oder auch den Kaffee. Jeder wie er es mochte.
Das Geschirr
war aus edlem Porzellan, Elfenbein farbig mit einem feinen Goldrand. Es war ein
Genuss, für die Augen und dem Gaumen.
Ich beteiligte
mich nicht am Gespräch, in das Frank und Michael sich vertieft hatten, nein ich
lauschte den Klängen von Mozart,
Beethoven,
Schubert, Bach und Brahms, welche der Pianist dem Klavier entlockte. Frank
wollte noch zur Bank und fragte mich, ob ich hier warten wolle, was ich gerne
mit einem „ja“ beantwortete. Michael wollte in begleiten. So war es mir
vergönnt, noch etwas länger diese Muse zu genießen.
Wir kamen erst in der Nacht, wieder ins Hotel zurück.
Müde von der langen Reise, ging ich sofort auf mein Zimmer. Frank und Michael nahmen
die Einladung vom Hoteldirektor, noch einen Drink an der Bar zu nehmen, an. In
der Zwischenzeit wusste ich, dass sein Name Achim ist und sein Interesse zur
Verwirklichung des Projekts, allem Anschein nach groß war. Als Freund von Franz-Josef,
war er sicher auch dessen Augen und Ohren in seiner Abwesenheit.
Es wird wohl
nicht bei einem Drink bleiben, dachte ich mir und war froh, die Einladung
nicht angenommen zu haben. So konnte ich noch etwas Fernsehen und den Tag,
Revue passieren lassen.
Den nächsten
Vormittag verbrachte ich damit, die Umgebung vom Hotel aus zu erkunden.
Michael und Frank hatten sich nach dem Morgenessen in einen kleinen
Konferenzraum zurückgezogen, welcher ihnen von Achim zur Verfügung gestellt
wurde. Wie es den Anschein hatte, waren sie auf meine Gegenwart nicht
unbedingt erpicht.
Bis anhin hatte
ich noch keine Gelegenheit, Michael zu fragen, ob er seinen Anteil an den Fax
und Telefonkosten zahlt. Ja es schien sogar, als würde er, jeder Möglichkeit
dazu, aus dem Wege gehen.
Vor dem Lunch
war es dann soweit. Ich kam von meinem Spaziergang zurück und wollte auf mein
Zimmer, als ich sah wie die beiden auf eine Sitzgruppe in der Halle zusteuerten.
„Hallo ihr zwei, darf ich mich euch anschließen“, machte ich mich bemerkbar.
„Selbstverständlich“, gab Frank zurück. „Wir wollten nur etwas trinken und
entspannt eine Zigarette rauchen, doch wenn du möchtest können wir auch eine
Kleinigkeit essen.“
„Eigentlich habe
ich noch keinen Hunger, doch zum Trinken nehme ich gerne einen Kaffee und ein
Glas Wasser.“ Nachdem wir uns gesetzt und dem herbei eilenden Kellner unsere
Wünsche mitgeteilt hatten, fragte ich: „Wie ist euer Vormittag abgelaufen.
Haben sich schon einige Neuigkeiten ergeben?“
„Ja, gab Frank zur Antwort. Es gibt einiges zu erzählen.
Montag haben wir um elf Uhr in München eine Besprechung bei einer Großbank,
Achim hat dies arrangiert. Heute Nachmittag haben wir eine Verabredung in
Passau mit einem Makler. Eigentlich sollte Franz-Josef dahin fahren, doch er
kann diesen Termin nicht vornehmen, da er von seiner Reise noch nicht zurück
ist.
Es geht dabei
um einige Altbauten in der Innenstadt, welche verkauft werden. Das ist aber
noch nicht alles, gab er mir zu verstehen. Am Wochenende kommt Michaels Freund
von Großbritannien, du weißt schon, der welcher die Versicherung innehat, hier
her. Wie er Michael mitteilte, hat er eine Menge Neuigkeiten für uns.“
Er war
sichtlich stolz darauf, mir solch positive Nachrichten zu berichten und sah
mich erwartungsvoll an. Ich nahm einen Schluck von meinem Kaffee, der in der
Zwischenzeit gebracht worden war, stellte die Tasse wieder zurück und sagte zu
ihm. „Frank, du weißt aber schon, warum ich eigentlich hier bin. Ich kann es
mir nicht erlauben, so lange von zuhause weg zu bleiben. Da sind meine eigenen
Geschäfte, meine Familie, Rachel bekommt in den nächsten Tagen mein erstes
Enkelkind
und …“
Frank
unterbrach mich, mit der Bemerkung. „Ich dachte, wenn wir schon warten müssen,
können wir auch unsere Zeit mit einigen wichtigen Arbeiten verbringen. Und was
gibt es wichtigeres im Moment, als unser Projekt.“
„Es geht hier aber nicht nur um unser Projekt, erwiderte
ich ihm. Außerdem, wer soll dies alles bezahlen.“
„Mach dir darum
keine Sorgen, was das Hotel hier angeht, das läuft auf Kosten von Franz-Josef
und mir. Und was deine Geschäfte betrifft, Tina ist im Hauptgeschäft und in
Thal ist Bienchen. Wir haben Telefon, somit bist du erreichbar wenn was
Wichtiges anfällt. Übrigens, Michael will mit uns diese GmbH gründen. Er
möchte uns an seinem Projekt beteiligen.
Mir wurde ganz
flau in der Magengrube. In diesem Moment habe ich wohl das erste Mal gespürt,
wie stark Frank von Michael und dem in Aussicht gestellten Reichtum manipuliert
wurde.
Ich wagte nun
nicht mehr, das Gespräch auf die Telefonkosten zu erweitern. Ich wusste nur
eins, wenn ich jetzt abfahren würde, musste ich mein mir zustehendes Geld
vergessen. Dies wiederum konnte und wollte ich nicht, denn ich brauchte es, und
zwar so schnell wie möglich. Wie recht ich hatte, wurde mir klar, als Michael
die Bemerkung machte: „Wo man Wasser schöpfen will, muss es erst fließen.“ So,
oder jedenfalls so ähnlich habe ich es verstanden.
„Bist du in
einer halben Stunde bereit? Wir sollten dann nämlich abfahren, wenn wir pünktlich
zu unserem Termin kommen wollen“. „Ich werde bereit sein“, gab ich Frank zur
Antwort und erhob mich, ohne meinen Kaffee leer zu trinken. Das Glas Wasser
nahm ich mit mir in mein Zimmer.
Etwa zehn
Minuten später klopfte es an meine Zimmertür. Es war Frank. „Bitte, du musst mir
glauben, ich tue wirklich mein Bestes. Schau, ich habe zu Michael gesagt, wenn
wir eine GmbH gründen, dann nur mit dir. Zuerst wollte er es nicht. Doch schließlich
hat er es eingesehen, dass ich ohne dich auch nicht mitmache. Ich sagte ihm,
dass du bis jetzt schon so viel für uns getan hast und du es verdienst mit
daran beteiligt zu sein. “Wir können nicht zur gleichen Zeit an zwei Hochzeiten
tanzen“, entgegnete ich ihm. „Für Niklausdorf ist meine Arbeit so gut wie zu
Ende. Jetzt liegt es allein an Franz-Josef. Er macht das finanzielle, damit
habe ich nichts zu tun. Wer weiß, vielleicht werden die beiden Projekte doch
noch zusammengefügt, dazu ist das letzte Wort noch nicht gefallen.“
Er setzte sich
neben mich, legte seinen Arm um meine Schultern und im schmeichelnden Ton sagte
er: „Tante Rena, ich würde nie etwas tun, das dir schadet. Das musst du mir
glauben.“ Ich sah ihm in die Augen, er war der Einzige, der mich so nannte. Ich
war überzeugt, er meinte ehrlich was er sagte, denn für ihn stand fest, es
konnte einfach nichts schief gehen.
Vor so viel
Charme musste ich schlussendlich kapitulieren. „Dann wollen wir gehen und das
Beste daraus machen“, gab ich ihm zur Antwort. Er war mein Neffe und mein Patenkind,
ich musste ihm einfach vertrauen.
Es war kurz vor
sechzehn Uhr als wir in Passau eintrafen. Es war das erste Mal, dass ich diese
Stadt besuchte und sie gefiel mir. Nachdem wir einen Parkplatz gefunden hatten,
gingen wir das letzte Stück zu Fuß. Wir befanden uns mitten in der Altstadt.
Ich liebte diese alten verwinkelten Gassen, die kunstvoll verzierten Häuser,
welche teilweise schon einige hundert Jahre überdauerten.
„Dieser Teil
der Stadt gehört zum Kulturerbe und es darf nichts verändert werden. Jede
Restauration unterliegt strengsten Vorschriften“, erklärte uns Frank. Als wir
in eine Seitengasse einbogen, meinte er: „Da vorne, das dritte Haus links, das
müsste es sein“.
Ein Mann trat
aus dem Schatten des Torbogens und kam auf uns zu. Nachdem er sich
vergewisserte, dass wir die richtigen waren, auf die er gewartet hatte, begrüßte
er uns der Reihe nach. Er öffnete seine Mappe, die er unterm Arm getragen
hatte, entnahm ihr einen riesigen Schlüssel und bat uns ihm zu folgen.
Es machte ihm
einige Schwierigkeiten, das alte Torschloss zu öffnen. „Müsste auch einmal
geölt werden“, meinte er mit einem Lachen, als das Tor, nach einigen
vergeblichen Versuchen, endlich mit einem ächzenden Geräusch aufging.
Das Haus war
sehr alt und es roch muffig als wir es betraten. Die Grundmauern schienen
gebaut für die Ewigkeit. Die Fenstersimse dementsprechend tief ins Mauerwerk
eingefügt, boten viel Platz für Blumen und anderen Zierrat. Eine breite
ausgetretene Steintreppe führte nach oben. Der Makler sagte: „Wir werden
zuerst nach oben gehen, den Dachstuhl besichtigen und dann die weiteren Räume
in Augenschein nehmen.
Der Dachstuhl
war wahre Handwerkskunst. Das Gebälk wurde getragen von breiten Kreuz Balken
die in gleichmäßigen Abständen die ganze Länge des Hauses unterteilten. Beim Anblick
dieses Meisterwerkes wusste ich warum der Makler uns zuerst nach oben führte.
Diese Dachkonstruktion war nur in sehr alten Patrizierhäusern, Kirchen oder
Schlössern zu finden. Es war ein Meisterwerk.
Genau so war es
in den unteren Räumen. Die Decken waren mit Stuck verziert, die Zimmer waren groß
und in einigen standen alte schön verzierte weiße Öfen. Im Erdgeschoss waren
die Wirtschaftsräume, und ein sehr großes Zimmer, welches wohl eine Art von
Empfangsraum darstellte. Denn die Decke war bemalt mit verschiedenen Szenen
aus der Antike, welche durch Stuck unterteilt wurden. Die Farben waren
verblasst und teilweise beschädigt und doch konnte man die ursprüngliche
Schönheit unschwer erkennen.
Der Keller
bestätigte die fundamentale Bauweise dieses Hauses. Ja, es war geschaffen für
die Ewigkeit, so kam es mir wenigstens vor. Nach der Besichtigung übergab der
Makler, Frank ein großes Kuvert, in dem wie er sagte, sämtliche Pläne, Fotos
und eine detaillierte Beschreibung dieses, sowie dem angrenzenden Haus, welches
im gleichen Stil gebaut war, beinhaltete.
Frank bedankte
sich für die Führung und versprach den Eindruck, sowie die Unterlagen an Franz-Josef
weiter zu geben, bevor wir uns verabschiedeten.
„Und, wie hat
es dir gefallen“, fragte mich Frank. „Oh, es hat mich stark beeindruckt. Solche
Häuser sind ein Kleinod und werden von Liebhabern gesucht. Es gibt nicht mehr
so viele davon, die wie dieses, im ursprünglichen Zustand erhalten geblieben
sind. Durch den Krieg wurde leider viel zerstört. Ich denke, beide Häuser zu
kaufen, wäre eine vernünftige Lösung. Man könnte gut und gerne fünf bis sechs
Wohnungen draus erzielen, ohne die Struktur der Zimmer groß zu verändern. Somit
wäre ein Umbau profitabel.“
Frank meinte:
„Genau diese Gedanken sind mir auch durch den Kopf gegangen.“ Er übersetzte
Michael unser Gespräch, und dieser war ebenso begeistert wie wir. Auch er
schien ein Liebhaber solch alter Bauten zu sein.
Ich war immer
wieder überrascht welches Potential an Wissen in Frank schlummerte. Im Auto,
bevor wir abfuhren, sagte ich noch: „Ich bin froh dabei gewesen zu sein. Es war
ein schöner Nachmittag. Diese Stadt möchte ich gerne wieder besuchen und
hoffentlich mehr Zeit dafür haben. Ich freue mich schon auf morgen.“
Und das meinte
ich ehrlich. Ich freute mich wirklich sehr darauf, das alte Tudor Schloss zu
besichtigen.
Am nächsten Tag
fuhren wir schon zeitig am Morgen vom Hotel ab. Immer der Sonne entgegen, die
vor uns, wie ein riesiger roter Ball empor wuchs und die Hitze des Tages erahnen
ließ. Ich schaltete das Radio ein, um so durch den Verkehrsfunk rechtzeitig informiert
zu werden, sollte irgendwo auf unserer Strecke ein Hindernis auftreten. Sei es
durch Stau, Baustellen oder gar einem Unfall. Frank hatte sich zu Michael nach
hinten gesetzt, so konnten sie sich besser unterhalten.
Ich
konzentrierte mich vollständig auf die Straße. In meinem Auto wurde nicht
geraucht, diese Rücksichtnahme hatte ich mir aus erbeten. So legten wir nach
ungefähr zwei Stunden Fahrt, eine Frühstückspause ein.
Natürlich hatte
Frank diese Raststätte ausgewählt. Es gab einfach zur zwei bis drei Restaurantketten
an den Autobahnen, die wirklich ohne Bedenken aufgesucht werden konnten,
wollte man in einer gemütlichen Atmosphäre etwas essen. Frank telefonierte vom
Restaurant aus und teilte uns mit, dass wir direkt zum Schloss fahren könnten,
wir würden dort ab elf Uhr erwartet. „Wie lange brauchen wir noch bis dahin?“
„Ich denke in etwa zwei Stunden werden wir dort sein. Also können wir noch in
Ruhe unser Frühstück essen und eine Zigarette rauchen, “ sagte er, und biss
herzhaft in sein Brötchen.
Das Schloss
wirkte imposant, wie es so da stand, inmitten einer nicht überschaubaren Parkanlage,
in der uralte riesige Bäume ihre Schatten warfen. Das große, schmiedeeiserne
Tor war offen und so fuhr ich hinein, wie es mir schien, hinein in eine andere
Welt.
Wir wurden vom
Hausherrn persönlich erwartet, der uns sehr freundlich begrüßte. Nachdem ihm
Michael erklärte, warum er sich für dieses Anwesen interessierte, war die anfängliche
Skepsis, wenn überhaupt vorhanden, verflogen.
Er führte uns
durch den Park, erzählte warum er sich von diesem Besitz trennen wollte. Unter
anderem, dass dieses Schloss nun schon jahrelang unbewohnt war, da es für seine
Familie einfach zu groß sei. Einzig die Ahnengalerie und einige andere große
Gemälde, sowie einer der größten Gobelins, aus der Zeit Maria Theresia,
befinden sich noch hier im Schloss. Die würde er uns zeigen.
Wie wir ja
gleich selbst beurteilen könnten, müsste das ganze Anwesen saniert und restauriert
werden, ohne jedoch die Struktur zu ver-ändern. Das Schloss steht unter
Denkmalschutz, bemerkte er noch abschließend, bevor er die schwere Eingangstür
aufmachte.
Wir
durchschritten die Hallen und Gänge, öffneten diverse Türen um in die dahinter
liegenden Räumlichkeiten zu schauen. Uns war klar, dass wir in der Zeit die
uns zur Verfügung stand, nur im Schnelldurchgang das Schloss besichtigen
konnten. So beschränkten wir uns wirklich aufs wesentliche.
Die
Ahnengalerie war so ein Teil davon. Da blickten sie also herunter auf uns kleine
Sterbliche, angetan in ihren prunkvollen Gewändern. Die stolzen Vorfahren,
dieser weit in die Vergangenheit reichenden „Gräflichen Familie.“
Ein Bild hat es
mir besonders angetan. Es schien als würde der Mann unseren Bewegungen folgen.
Gingen wir vorwärts, so waren auch seine Füße in dieser Richtung, machten wir
kehrt und bewegten uns wieder entgegengesetzt, tat es auch der Mann auf dem
Bild. Genau so war es mit seinen Augen. Ja, es schien als wollte er über dem
Tod hinaus, die Kontrolle über die Lebenden nicht verlieren. Es war wirklich
sehr beeindruckend.
Die Gemälde
waren Meisterwerke der Kunst und bestimmt ein Vermögen wert. Sehr schön waren
auch die Öfen, die in manchen Zimmern noch gut erhalten waren. Jeder ein Bijou aus
seiner Zeit. Kunstvolles Handwerk, das
in unserer schnelllebigen Zeit verloren gegangen ist.
Von der
Ahnengalerie aus kamen wir nun in das Zimmer, wo der große Gobelin die Wand an
der er hing, ausfüllte. Wir sahen überall verstreut Löcher an der Wand. Einige
auch am Gobelin selbst. Der Hausherr erklärte uns, dass, als die Russen in
Österreich einmarschierten, sie dieses Schloss in Besitz nahmen. Es diente ihnen
als Offiziers Unterkunft und Hauptquartier. Es waren Einschusslöcher, die aus
dieser Zeit stammten. Als Mahnmal der Geschichte, wurde dieser Raum in diesem Zustand
belassen.
Michael war
sehr angetan von diesem Schloss und in Gedanken sah er wohl schon, junge
Menschen die hier wohnten und ihren Studien nachgingen. Lachen und buntes Leben
in den alten Gängen und Hallen.
Für dieses
riesige Gebäude gab es eigentlich nur wenige Möglichkeiten um den Unterhalt zu
sichern. Ein Altenwohnheim wäre die eine und eine Schule, sei es nun eine
Schauspielschule oder eine Hochschule für Kunst, die andere. Der große,
weitläufige Park wäre Inspiration für ältere, wie auch für junge Menschen.
Wir waren mehr
als drei Stunden durch das Schloss gelaufen. Es war Zeit sich zu verabschieden.
Was wir mit dem Versprechen, in Verbindung zu bleiben, auch taten.
Um noch in die
Kalkhöhlen zu fahren, die ganz in der Nähe lagen, war es zu spät. So beschlossen
wir dies auf ein anderes Mal zu verschieben und zurück ins Hotel zu fahren.
Während ich mich auf die Straße und den aufkommenden
Verkehr konzentrieren musste, gab es für Michael und Frank viel zum Diskutieren.
Thema, natürlich die Schauspielschule und das Filmstudio.
Am nächsten Tag,
einem Samstag, hatte ich am Vormittag endlich für mich Zeit. Ich konnte mich im
hauseigenen Pool entspannen und für eine kurze Dauer, die warme Sonne genießen.
Das Buch, welches ich mir zum Lesen mitgenommen hatte, lag aufgeschlagen auf
dem kleinen Beistelltisch neben meinem Liegestuhl. Ich konnte nicht lesen.
Meine Gedanken waren bei meinen Kindern. Was passiert, wenn sich meine Hoffnungen
nicht erfüllen? Werde ich dann alles verlieren?
Die AG war noch
nicht eingetragen und somit nicht rechtskräftig. Der Großteil meines Kapitals
investiert im Hauptgeschäft, welches nun geschlossen war. Geschlossen wegen eines
dummen Spruches, denn Frank ohne sich über die Konsequenzen klar zu sein, von
sich gab. Meine Kinder, werden sie jemals meine Handlung verstehen? Eine Woche
war ich nun schon hier. Was hatte ich erreicht? Nichts, nichts als
Versprechungen, die sich Tag für Tag wiederholten und verschoben.
Kein Entkommen
aus diesem Netz der Verwirrungen, in welches ich geraten war. Fragte ich nach Franz-Josef,
war die Antwort, „er ist noch nicht zurück.“ Ich mochte nicht mehr Fragen, ich
konnte nur noch warten. Warten auf was?
Ich beschloss
auf mein Zimmer zu gehen um Gregory anzurufen. Ich musste einfach wissen, was
in der Zwischenzeit zuhause passiert war. Also packte ich meine Utensilien zusammen,
zog mir mein Badekleid über und ging zurück ins Hotel.
In der Halle
traf ich auf Frank. „Schon fertig mit Schwimmen? Willst du dich nicht zu uns
setzen? „Ich möchte gerne nachhause telefonieren“, gab ich zur Antwort. „Du
kannst von deinem Zimmer aus anrufen. Vergiss nicht die Null davor zu wählen
und auch Grüße von mir auszurichten.“ „Ich werde es nicht vergessen “,
versprach ich und eilte auf mein Zimmer.
Nervös und mit
Herzklopfen wählte ich die Nummer. Es dauerte einen Moment bevor der Hörer am
anderen Ende abgenommen wurde.
Es war Gregory, der sich meldete. „Mam, du musst
nachhause kommen“, sagte er, nachdem er mich begrüßt hatte. „Ich weiß, doch ich
kann jetzt noch nicht zurückfahren.“ Ich erzählte ihm, was sich hier so alles
in dieser Woche ereignet hatte und auch, was für die folgende Woche
eingeplant war.
„Mam, das kann
noch Wochen dauern. Solange kannst du nicht warten. Hier geht jetzt schon
alles drunter und drüber“. „Ich kann jetzt hier nicht weg, versteh` das doch.
Wenn ich jetzt abfahre, werde ich meine Unkosten nie mehr ersetzt bekommen.“
Meine Stimme zitterte, als ich dies sagte.
„Mam, bist du sicher, dass du auch nur irgendetwas
bekommen wirst? Bis jetzt haben sie es immer nur versprochen und alle ihre
Versprechungen waren nichts wert. Unser Baby wird nun bald kommen. Willst du
nicht dabei sein?“
Nun konnte ich
meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Schluchzend stammelte ich in den Hörer:
„Ich möchte so gerne dabei sein, wenn mein erstes Enkelkind geboren wird, oh
ich möchte es so gerne, −
wirklich.“ „Dann komm nachhause Mam“, gab Gregory mir zu verstehen. „Ich werde
noch einmal mit Frank drüber reden. Ich rufe dich dann am Abend wieder an.“ „Ist
gut Mam. Aber bitte denk` daran, es ist wirklich wichtig das du nachhause
kommst.“ „Also dann bis am Abend und grüß mir Rachel und Antony“, sagte ich zu
ihm, bevor ich den Hörer zurück auf das Telefon legte.
Es war mir
nicht möglich, sofort nach diesem Gespräch, wieder zurück in die Halle zu
Frank und Michael zu gehen. Zu sehr hat mich dieses kurze Telefonat aufgewühlt.
Die Stimme meines Sohnes klang traurig und wie es mir schien, hatte er mir
nicht die ganze Wahrheit gesagt. Er wollte mich sicher nicht noch mehr
beunruhigen.
Vielleicht
dachte er, wenn er mir alles sagte, würde ich vielleicht noch länger zuwarten,
um nachhause zu fahren. Wie gut er mich kannte. Was er nicht wissen konnte war,
dass ich über den größten Teil des Geschehens, bereits informiert war. Ja, dass
ich nur ausharrte um das Schlimmste zu verhindern. Ich musste einfach meine
vorgestreckten Gelder zurück erhalten. Dann konnte ich das geforderte Geld bezahlen,
mein Geschäft wieder öffnen und in einem Monat die AG gründen. Ich konnte
keine AG gründen solange mein Geschäft von Amts wegen geschlossen war. Diese
Maßnahme hatte mein klares Denken dermaßen beeinträchtigt, dass ich keinen
anderen Ausweg fand. Ich setzte all mein Vertrauen auf Frank, er würde sein
Versprechen halten.
Ich ging auf die Terrasse, setzte mich in den
Liegestuhl und rauchte eine Zigarette. Ich rauchte nicht oft, doch in diesem
Moment hatte ich das Bedürfnis es zu tun.
Meine Augen
wanderten über die grünen Felder und versuchten verborgenes darin zu entdecken.
Die Sonne stand am höchsten Punkt und verströmte ihre Glut über das unter ihr
liegende weite Tal.
Im Flimmern des
Lichtes schien die Zeit still zu stehen. Kein Windhauch bewegte die Blätter der
Büsche und Bäume. Kein Vogelgezwitscher, keine Wespen oder Bienen störten
diese Stille. Mein Herz wurde ruhiger, der Schmerz weniger bedrängend. Ich
schloss für einen Moment die Augen und öffnete meine Seele, um sie teilhaben zu
lassen an diesen Frieden, der mich umgab.
So gestärkt, begab
ich mich kurze Zeit später wieder auf den Weg, zurück in die Hotelhalle, wo
Frank und Michael auf mich warteten. „Ist alles in Ordnung?“, fragte mich Frank.
„Nein, eigentlich nicht. Gregory erwartet, dass ich nachhause komme .Es ist
viel passiert in der Zwischenzeit“, gab ich zur Antwort.
Es war kurz
vor drei Uhr am Nachmittag, als der erwartete Besuch von Michael im Hotel
eintraf. Nachdem sich die beiden Freunde lautstark begrüßt hatten, wurden auch wir
uns gegenseitig vorgestellt. Wie schon erwähnt, war er der Experte und Manager
einer Versicherungsgesellschaft mit Sitz in Großbritannien, so wurde es
jedenfalls gesagt.
Sein Name war
Marc. Ich habe mich schon daran gewöhnt, dass sich die meisten Personen, die
ich bis jetzt kennengelernt habe, einfach mit Vornahmen ansprachen. So war es
auch bei ihm.
Die Atmosphäre war von Anfang an entspannt.
Nachdem er seine Anmeldung an der Rezeption getätigt hatte, gab er noch den Auftrag,
sein Gepäck ins Zimmer zu stellen. Er wolle sich noch einen Moment zu uns
setzen und etwas trinken, bevor er sich für den Abend umkleiden
würde.
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