Mittags füllte sich das Restaurant mit den hungrigen Gästen, doch meine Bedenken, dass sie Anstoss an meinen neuen Mitbewohner zeigen würden, war unbegründet. Im Gegenteil, zwei Gäste welche an dem Tisch Platz nahmen, hinter dem auf der Bank tief eingekuschelt in seinen Kissen mein Hund lag, waren über den kleinen Kerl begeistert. Nachdem ich kurz mit ihnen gesprochen hatte, mit der Bitte, ihn nicht zu streicheln oder ihn hochzuheben, da ich befürchtete, dass es sonst mit der Ruhe vorbei war, konnte ich wieder beruhigt in die Küche zurück kehren. Alles verlief wie geplant. Die letzten Bestellungen verliessen die Küche, ich zog die Schürze aus und ging in die Gaststube um meine Gäste zu begrüssen. Fragte auch, ob sie mit dem Essen zufrieden waren, das war mein Ritual, welches sich tagtäglich wiederholte. Mein Hund lag noch immer schön brav an seinem ihm zugeordneten Platz, hob kurz den Kopf als er mich bemerkte und sein Blick schien mich zu fragen: „Na, bist du nun zufrieden mit mir?“ Ich war es!
Ausser den beiden, die an der unteren Seite vom Tisch Platz genommen hatten, um den Hund nicht zu stören, bemerkte niemand der anwesenden Gäste, seine Anwesenheit. Natürlich wollten die beiden wissen, wie ich zu dem niedlichen Hündchen gekommen bin. Also setzte ich mich auf die Bank neben meinen Hund und erzählte in kurzen Sätzen den Beginn unserer Begegnung. Wie immer ging die Mittagszeit schnell vorüber, das Restaurant leerte sich und es kehrte Ruhe ein. Gottseidank hatte ich mehrere fleissige Helfer, die mir den Abwasch und die Reinigung der Küche abnahmen. Es waren Jugendliche die sich in der Ferienzeit etwas Taschengeld zuverdienen wollten. Nachdem ich auch für den Hund seine Mahlzeit angerührt hatte, setzte ich mich mit ihm auf die Terrasse, wo er hungrig wie er wohl war, sich eifrig darüber hermachte.
An die Terrasse grenzte eine grosse Wiese, durch die ein schmaler Pfad, gesäumt von kleineren Büschen, hinunter Richtung Einkaufszentrum führte. Nachdem mein Hund (er hatte ja noch keinen Namen), sein Mahl beendet hatte, hob ich ihn wieder hoch und ging mit ihm ein Stück den Pfad entlang, setzte ihn an einem der Sträucher ab und wartete was er wohl machen würde. Er umrundete den Strauch, schnupperte an dem Holz und an den Grashalmen, dann hielt er still und welch ein Wunder, er machte sein Geschäft. Zuerst klein und dann auch noch ein Häufchen, welches er ausgiebig beschnupperte. Ich streichelte und lobte ihn, versorgte die Hinterlassenschaft in einem Papiertaschentuch, hob ihn wieder hoch und drückte ihn an mich. „Was bist du doch für ein kleiner, kluger Kerl, wir werden sicher noch viel Spass miteinander haben“, er bestätigte es mir, indem er mir kurz mit der Zunge unters Kinn leckte. Er war ja so klein, nur etwas grösser als meine Hand. Auf dem Rückweg sagte ich ihm, nun würde ich ein Körbchen, eine Leine und das Halsband und was er sonst noch brauchte im Einkaufszentrum besorgen, dann könnten wir so richtig Gassi gehen und im Körbchen hätte er auch seinen festen Platz zum Ruhen. Während ich ihm das erzählte, lauschte er meiner Stimme und wieder hatte ich das Gefühl, als würde er mich verstehen.
Kurz darauf war ich auf den Weg zum Gallusmarkt. Ich wusste, dort würde ich all das bekommen, was ich für meinen Hund brauchte. Ich erstand ein mittelgrosses Stoffkörbchen mit Decke, fand auch ein schönes rotes Halsband mit Nieten und die dazugehörende Leine. Ausserdem Welpenfutter, Hundesäckchen, Fressnapf, Wasserschale und was man sonst noch so brauchte. Bepackt mit all diesen Sachen traf ich wieder im Restaurant ein. Mitten im Restaurant stand ein grosses Cheminee (offener Kamin), mit einer grossen kupfernen Abzughaube. An zwei Seiten vorgelagert hatte ich Brennholz gestapelt. Ich fand, dort sei der passende Ort das Hundekörbchen zu platzieren. Als nächstes wurde das Halsband angepasst, dann nahm ich die Leine und machte sie am Halsband fest. „So jetzt wollen wir zwei doch nochmals den gleichen Weg wie vorhin machen, wir gehen Gassi.“ Ich hob ihn hoch und trug in nach draussen. Er kannte noch keine Leine und sträubte sich anfangs dagegen. Doch lernte er wirklich schnell. Zuerst zaghaft, stolpernd, dann immer schneller sprang er neben mir her, wie ein kleiner Wollknäuel. Ich liess ihm Zeit die Umgebung kennen zu lernen. Wir gingen den ganzen Wiesenweg hinunter. Alle Büsche und Sträucher wurden beschnuppert. Manchmal spreizte er die Beine und liess Wasser, ja er machte sogar noch ein Häufchen. Jedes Mal bekam er seine Streicheleinheiten und ein Lob. Am Rückweg bemerkte ich, dass er nun doch etwas müde geworden war. Ich hob ihn hoch und trug ihn die letzten Schritte nachhause. Dort legte ich ihn in sein neues Bettchen, wo er kurz darauf eingeschlafen war. Man konnte bemerken, er fühlte sich wohl, denn er lag langgestreckt darin, wohl um zu zeigen, das Bett ist gerade richtig für mich.
Am Nachmittag kam ein guter Freund von mir, um seinen gewohnten Kaffee zu trinken. Auch er war entzückt von diesem kleinen Etwas und fragte, ob ich schon einen Namen für ihn hätte. „Bis jetzt noch nicht“, gab ich zur Antwort. „Nenne ihn doch Sherbo, das war der Name meines Hundes und ich denke, Sherbo ist genau richtig für ihn. Oder gefällt Dir der Name nicht?“ Ich überlegte kurz. Ein aussergewöhnlicher Name, dachte ich mir, doch wirklich auch ein passender. „Ja, wir wollen ihn Sherbo nennen.“ Von diesem Moment an nannte ich meinen Hund mit seinen Namen.
Seine erste Vorstellung hatte Sherbo noch am selben Abend. Willi, so hiess der Namensgeber, war an diesem Tag länger geblieben. Zu ihm hatten sich noch andere Freunde gesetzt und wie meistens verlangten sie das Würfelbrett und vergnügten sich beim Spiel. Nach einiger Zeit bekamen sie Hunger und ich richtete ihnen eine kleine Brotzeit. Als sie damit fertig waren, holte Willi Sherbo aus seinem Körbchen, um ihn seinen Freunden vorzustellen. Er legte ihn auf seinen Teller und Sherbo hielt ganz still. Er hob nur seinen Kopf und betrachtet rundum die Menschen, die alle hellauf lachten. Ich fand es aber dennoch nicht so spassig und nahm Sherbo wieder zu mir. Als er so ruhig auf dem Teller lag, war mir wieder bewusst geworden, wie klein und zerbrechlich er doch war. „Ich werde schon gut auf Dich aufpassen. Kein Mensch soll dir was Böses tun“, flüsterte ich ihm ins Ohr. Heute denke ich, Sherbo hat mir von Anfang an vertraut.
In der Zeit wo wenige Gäste in der Gaststube waren, durfte Sherbo auf die lange Bank. Sie verlief über eineinhalb Seitenlängen der Gaststube. Dort konnte er herumspazieren und was für mich wichtig war, er konnte noch nicht herunter springen. Ausserdem, Hunde sind keine Nestbeschmutzer, und wie Recht ich hatte zeigte er schon am ersten Tag. Es war kurz nach 21 Uhr, als er sich bemerkbar machte. Nur ein kurzer Laut, er stand am Ende der Bank und versuchte nochmals zu bellen, was wiederum nur halb gelang. Ich eilte zu ihm hin. Machte die angrenzende Tür zur Terrasse auf und ging mit ihm nach draussen die wenigen Schritte die Treppen hinunter auf die Wiese. Sofort brachte er sich in Stellung und verrichtete sein Geschäft. Anschliessend wedelte er mit dem Schwanz, so als wollte er mir sagen, ich hab`s verstanden. Es war wirklich genauso wie ich es schreibe. Und er hatte noch viele Überraschungen für mich parat.
[…] Quelle: Fortsetzung von “Sherbo” | Renate Klerx.liebeistleben […]